Pfarrer Dr. Richard Graupner, Kunstbeauftragter im Kirchenkreis München-Oberbayern, am 18.11.2018
” … Was ich gesehen habe, ist das Leben. Das Leben in seiner Verletzlichkeit, in seiner Kostbarkeit und in seiner Freude. Der Titel der Ausstellung ist sprachlich zunächst ungewöhnlich: ‘Dunkel und Licht’. Gewöhnlich setzen wir bei solchen Verbindungen das Positive, das Schöne zuerst, vielleicht auch das, was wir als das “Normale” ansehen: “Licht und Dunkelheit”, “Gesundheit und Krankheit”, “Freud und Leid”… Ursula Lovis hat in ihren zahlreichen Ausstellungen seit 1976 immer wieder auch Orte aufgesucht, die das Leben in seiner Fragilität und Endlichkeit nicht umgehen und nicht verdrängen können: Krankenhäuser, Altenheime und auch Kirchen. Ihre Auseinandersetzung mit dem “Kreuzweg unserer Zeit”, so ein Titel eines ihrer Bücher, gibt ein Zeugnis davon, wie ein Mensch inmitten einer Welt im Fallen zum Himmel ruft. Genau in diese Welt hinein stellt Ursula Lovis ihre Bilder. Sie mahnen (“Achtung”) und zeugen zugleich von der Ambivalenz des Lebens ld (“Macht und Ohnmacht”) … In vielen Bildern sind Licht und Schatten, Helles und Dunkel miteinander verwoben, ja scheint der Tag aus der Nacht zu wachsen. So ist das Leben. So ist unser Verstehen und Erkennen: vom Nichtwissen zum Wissen, von der Blindheit zum Sehen. Und immer wieder vom Kreuz zur Auferstehung, vom Tod zum Leben. Überall läßt sich erkennen, daß das Leben, auch das individuelle Leben der Künstlerin in diesen Bildern steckt. Und je mehr Bilder man betrachtet, umso deutlicher wird, daß der Weg vom Dunkel zum Licht, ein Weg der Sehnsucht ist, des Aufschauens, des Aufstrebens …
Die Bilder von Ursula Lovis (…) warten auf den Betrachter und laden ihn ein, anzuhalten für einen Moment und ermutigen, mahnen und wecken die Sehnsucht, daß das Leben und daß ich selbst, mein Innerstes, meine Seele nicht zu kurz kommt, das Dunkle nicht und nicht das Licht, der Funken in meiner Seele, das Göttliche, wie Meister Eckhart sagen würde. Und das ist überhaupt eine der vornehmsten Aufgabe von Kunst, daß sie uns immer wieder nach dem Wesentlichen fragen läßt und dabei das Nützliche vom Sockel hebt. Dagegen erhalten der Schmerz, der Schrei, mein eigener und der meines Nächsten eine neue Dringlichkeit, nicht weniger als der kostbare Augenblick, das Jetzt, die Stille, der Tanz, die Lichtschwünge.
Katharina Grötzner, 23.9. 2018
“… wir Betrachter sind herausgefordert, und neugierig zu öffnen und uns berühren zu lassen… durch deine Bilder inspirierst du uns, bringst Not zum Ausdruck und stärkst Vertrauen…
So findet Identifikation statt beim Wassertröpflein, das unter dem gespannten Firmament ins Meer fällt (Bild: “Das Tröpflein…”, nach Angelus Silesius) und schon bin ich in Kontakt mit meiner Spiritualität. Oder ich lasse mich in meiner Sehnsucht berühren und der Lichtstrahl erhellt mein Dunkel (Bild “Dunkel und Licht”) … Die Themen “Flucht”, “Todesschmerz”, “Macht und Ohnmacht” konfrontieren uns mit der Realität dieser Welt. Beim Bild des Schmetterlings, der aus der Raupe wird (Bild “Gleichnis von Raupe und Schmetterling”), nehmen wir Anteil an christlicher Symbolik der Auferstehung.
So wünsche ich Ihnen beim Betrachten, daß Sie sich anstecken lassen von der Dynamik des Pfingstgeschehens (Bild “Pfingsten”), daß Sie letztendlich ermutigt und fröhlich in Ihre Welt gehen und Ihren Ausdruck finden.